Gedankenkotze

Du denkst dir es ist spät, du solltest so langsam ins Bett, weil du morgen früh raus musst. Blöderweise war der Weg unter die Decke heute irgendwie länger und wenn du morgen halbwegs ausgeschlafen sein möchtest, musst du jetzt aber auch wirklich schlafen. Das Licht ist aus, die Decke warm, die Augen zu. Plötzlich denkst du dir: „Ich sollte mal wieder mein Auto waschen. Vielleicht morgen nach der Arbeit. Ach ne, ich muss dann ja zur Post, bevor sie schließt. Also vielleicht übermorgen. Was kostet die Waschstraße nochmal? Wie viel hab ich gerade auf dem Konto. Verdammt, ich glaube ich bin wieder im Minus. Dann muss ich mich diesen Monat zurückhalten. Aber ich brauche ja noch unbedingt Klamotten. Und der Friseurbesuch ist längst überfällig…“. So geht das dann eine Weile und man widersteht der Versuchung auf die Uhr zu schauen, weil die Ziffern spöttisch auf den Schlafmangel hinweisen würden. Die Gedanken kommen einem einfach hoch und man kann nichts dagegen tun.

Ein Kapitel des Buches „Die Kunst des logischen Denkens“ von Maria Konnikova beschäftigt sich mit dem Thema Meditation. Man denkt bei dem Begriff natürlich sofort an einen Mönch, der lange im Schneidersitz ausharrt und an nichts denkt. Da es für die meisten Menschen nahezu unmöglich ist an gar nichts zu denken, sollte man es gar nicht erst versuchen. In dem Kapitel geht es unter anderem darum sich besser konzentrieren zu können, indem man sich nicht in unwichtigen Gedanken verliert, sondern nur die wichtigen weiterverfolgt.

Diesen Ansatz habe ich auf den Prozess den Einschlafens übertragen und das sieht so aus: ich suche mir eine gemütliche Position im Bett und versuche mich dann auf meine gleichmäßige Atmung zu konzentrieren. Die nächsten Gedanken lassen meist auch nicht lange auf sich warten, aber das ist ok. Ich nehme den Gedanken an, aber statt mich ihm hinzugeben, lasse ich ihn gleich wieder fallen und führe ihn nicht fort. Stattdessen konzentriere ich mich wieder bewusst auf meine Atmung. Stellt sich der nächste Gedanken wieder an, hole ich auch diesen vor und lasse ihn gleich wieder fallen, bevor ich ihn ausführen kann. Dass es tatsächlich nicht so leicht ist, kannst du dir sicher denken. Meditation ist etwas das trainiert werden will. Für mich hat diese Technik aber schon funktioniert.
Dieser Vorgang hat in meinem Kopf sogar ungewollt eine bildliche Gestalt angenommen. Sie besteht aus einer sehr minimalistischen Apparatur mit einem kleinen Männchen das vor einer kleinen leeren Fläche steht. Meine Gedanken sinken langsam eingehüllt in Blasen auf diese Fläche vor dem Männchen herab. Landet eine Gedankenblase, bewegt sich das Männchen, wie von einer Kuckucksuhr angetrieben, nach vorne und schubst den Gedanken über einen Rand. Die Blase fällt herab und verschwindet aus dem Sichtfeld meines inneren Auges. Frei nach dem Prinzip „aus dem inneren Auge, aus dem Sinn“ hilft dieses Bild meinem Verstand zu signalisieren, dass er sich jetzt nicht mehr mit diesem Gedanken beschäftigen soll, da er weg ist. Ich weiß, die Apparatur mit dem Männchen wirkt überflüssig. Die Gedanken können doch einfach so aus dem Sichtfeld fallen. Vielleicht hat mein eigenwilliges Hirn ihn erschaffen, damit es sich so anfühlt, als hätte es aktiv etwas gegen den Gedanken getan. Paradoxerweise war diese Gedankenschubsmaschine auch schon einige Male in einer Gedankenblase. Oft genug schafft es auch ein runter geschubster Gedanke wieder sich oben einzureihen und Herr Gedankenschubs muss nochmal ran.

Es funktioniert bei Weitem nicht immer. Ich habe nach wie vor immer mal schwache Nächte, in denen die Gedankenkotze nur so sprudelt. Das liegt aber daran, dass ich die Technik nicht konsequent genug durchziehe, sondern mich den Gedanken hingebe. Das ist aber auch nicht zwangsweise schlecht. Oft genug sind gerade die Gedanken, die dich am Einschlafen hindern, sehr wertvolle Gedanken. Tagsüber beschäftigen wir uns mit oberflächlichen Dingen, die nur eine kurzfristige Wichtigkeit haben oder konzentrieren uns auf die beruflichen Tätigkeiten. Dadurch ist unsere Aufmerksamkeit so ausgelastet, dass viele Gedanken, die uns eigentlich wirklich beschäftigen, keine Chance haben an die Oberfläche zu kommen.
Liegen wir nun abends im Bett und haben das Licht ausgeschaltet, sehen wir nichts auf das wir unsere Aufmerksamkeit richten können. In dieser Situation können wir all die Gedanken, die wir bis dahin erfolgreich zurückhalten konnten, nicht mehr aufhalten und alles kommt hoch. Viele dieser Gedanken können überhaupt erst tagsüber unterdrückt werden, weil sie nicht wichtig für diesen Tag waren. Wären sie aber generell unwichtig, würden wir sie nicht so lange mit uns tragen. Natürlich haben nicht alle Gedanken eine besondere Bedeutung. Es ist also notwendig das wichtige herauszufiltern. Aus diesem Grund nehme ich mir hin und wieder Zeit beim Einschlafen um herauszufinden, was mir wirklich wichtig ist.

2 Kommentare bei „Gedankenkotze“

  1. Die Idee mit dem kleinen Männchen finde ich super, das versuche ich auch mal 🙂

  2. Gesten Abend nachdem ich diesen Beitrag geschrieben habe ich die Technik mal wieder konsequenter angewendet und es hat funktioniert. Ich kann natürlich nicht sagen wie lange ich zum einschlafen brauchte, aber ich weiß, dass ich nicht wieder zu lange verzweifelt wach lag. 🙂

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