Ich habe seit Wochen nicht mehr Staub gesaugt oder den Boden gewischt, die Kartons meiner Amazon Bestellung von November stehen immer noch in der Ecke und die Kalkflecken am Wasserhahn werden auch immer größer. Warum brauche ich so lange dafür?!
Lange würde ich dafür eigentlich nicht brauchen. Das Staubsaugen dauert vielleicht 15 Min, das Badezimmer ungefähr genauso lange und der Papiermüll ist in 5 Min rausgebracht. Leg eine halbe Stunde drauf um störenden Kleikram wegzuräumen, Staub zu wischen und die Sofakissen zurechtzurücken und die Wohnung ist in einer Stunde tipptopp.
Also was hält mich davon ab?!
Es ist natürlich der berühmte innere Schweinehund. Ich wollte ja immer einen Hund, aber auf diesen könnte ich echt verzichten. Dieser Dreckskerl wird sogar noch von Fernseher, Rechner, Handy und Kindle unterstützt. Aber keiner von diesen Verrätern ist so böse wie die rechte Hand des Schweinehundes: Die Couch!
Ich komme nach der Arbeit nach Hause und sehe beim Reinkommen, was noch alles gemacht werden will. Meine verkalkte Dusche fleht mich an wieder glänzen zu dürfen, doch ich ziehe den Duschvorhang zu. Das Geschirr auf der Spüle will so gerne in die Spülmaschine; alleine schafft es das nicht, doch ich gehe vorbei, schäme mich, senke den Kopf und blicke auf einen von Krümeln übersäten Boden.
Mir wird klar, ich muss dem Elend ein Ende machen.
Bevor ich loslege muss ich mich aber stärken, das Mittagessen ist schließlich 5 Stunden her. Solange ich esse und mir Gedanken um die Reihenfolge der Elendsbeseitigung mache, kann ich ja eine Folge Friends gucken (so lange gehen die ja nicht). Ich setze mich also auf die unschuldig dreinblickende Couch und starte Netflix.
Der Teller ist zwar schneller leer gegessen, als die Folge dauert, aber das ist schon OK, sind ja nur noch 10 Min. Ich stelle den Teller ab und merke, wie mich eine unsichtbare Kraft zurückfallen lässt. Bis dahin habe ich mir noch eine reelle Chance ausgemalt, auch wirklich gleich aufstehen zu können, aber jetzt scheint es so, als würde die Couch versuchen mich festzuhalten, mit mir zu verschmelzen. Da ich nun auch mit dem Rücken Kontakt zur Couch habe, hat sie mehr Fläche auf der sie ihren faulen Virus ausbreiten kann.
Der Abspann läuft und Netflix erkennt sofort den Fortschritt, den die Couch bei mir gemacht hat. Ich greife zur Fernbedienung, bewege den Finger zum Ausschaltknopf und vernehme plötzlich ein leises Wispern: „heey, wart mal kurz…“.
Ich zögere.
Netflix startet den Countdown zur nächsten Folge und der Kampf beginnt.
„Schau mal, in der nächsten Folge wird Rachel 30. Damit kannst du dich doch identifizieren, oder?“ säuselt Netflix mir sanft zu. Ich entgegne, dass abgemacht war, ich gucke nur so lange ich esse.
„Die Folge war so kurz. Du hast noch mehr Zeit als genug, wenn du in 20 Min loslegst“. Der Zähler überschreitet die 10 Sekunden Marke. Ich versuche damit zu argumentieren, dass ich die Folge ja nach dem Aufräumen noch gucken kann. 6, 5, 4… Die Couch schiebt mir ein mit Fäulnis verseuchtes Kissen hin. 3, 2, 1…
Na gut, eine Folge ist noch drin, denke ich mir und lehne mich seitlich auf das Kissen. Meine Füße erheben sich vom Boden und werden in die verseuchte Zone gezogen. Augenblicklich ergreift die Fäulnis Besitz von meinem Körper. Ich schaffe es noch einen kurzen verzweifelten Blick auf den gerade abgestellten Teller zu werfen bevor mein ganzer Körper von der Fäulnis verschlungen wird und sich die hässliche Gestalt des Schweinehundes offenbart.
Das traurige Seufzen aus Küche und Badezimmer höre ich nicht mehr. Ich habe den Kampf verloren.