Evolution einer Zigarette

Bin ich Raucher? Ich habe die erste Zigarette mit ca. 7 Jahren im Mund gehabt. Ich hatte damals irgendwo einen Aschenbecher mit ausgedrückten Zigaretten gefunden. Und weil die Erwachsenen das auch so machen, hab ich mir die schönste rausgepickt und sie mir in den Mund gesteckt. Ich konnte nicht verstehen, warum meine Eltern darüber nicht so amüsiert waren wie ich. Musste also was schlechtes sein.
Meine nächste Zigarette hatte ich dann 14 Jahre später. Seit dem hab ich immer mal wieder mitgeraucht, wenn mir eine auf Partys angeboten wurde. Ich wurde zum Partyraucher. Weil „Schnorrer“ so negativ klingt, habe ich dann meine eigenen Glimmstängel zur Party gebracht. Ein Nebeneffekt, seine eigene Schachtel zu besitzen, ist, dass die Option zu rauchen auch nach der Party besteht. Irgendwann habe ich sie auch ergriffen.

Diese Option wurde zu meiner Sonntagszigarette. Mein Sonntag ist ein Tag an dem ich meine körperlichen Aktivitäten auf ein Minimum zurückschraube, mich entspannt auf die Couch haue und mir Filme und Serien anschaue. Am liebsten irgend etwas tragisch/dramatisches oder auch einen leichten Feelgood-Film. Meist endet das dann in einer melancholischen Stimmung am Abend. Bevor ich mich aber schlafen lege, gehe ich an die frische Luft und zünde mir eine Zigarette an. Dabei lasse ich die letzte Woche nochmal Revue passieren oder sinniere über das Leben. So sind in den letzten Tagen Ideen für diesen Blog entstanden.

Ich mochte diese kurzen Sonntagszigaretten so sehr, dass ich nicht immer eine Woche auf meine nächste warten wollte. Also habe ich mein Sonntagsritual auch mal an einem Mittwoch abgehalten. Oder an einem Donnerstag. Oder Montag… Aus der Sonntagszigarette wurde die Denkerzigarette.

woman-792872_640Eines Tages hatte ich vom letzten Wochenende noch eine Schachtel Kippen in meiner Jackentasche, die ich auch zur Arbeit trug. Das ist mir nach Feierabend aufgefallen, als ich zufällig mit meinem Arbeitskollegen gleichzeitig den Heimweg antreten wollte und wir gemeinsam raus gegangen sind. Er wollte noch eine rauchen bevor er losfährt und da dachte ich mir, rauchst du aus Solidarität auch eine mit. Dabei hatten wir auch mal Gelegenheit über private Dinge zu sprechen und man wusste, mit welchem Menschen man überhaupt arbeitet. Die Feierabendzigarette war geboren. Es dauerte nicht lange und wir machten automatisch gemeinsam Feierabend, damit wir unsere Feierabendzigarette bekommen konnten. Ich hatte das Gefühl, man konnte dann irgendwie freier miteinander reden.

Deswegen musste mein Kollege auch nur „Kommst mit“ sagen, um mich zu überzeugen meine Feierabendzigarette zur Pausenzigarette zu machen. Mittlerweile erkennen wir an der Körpersprache des anderen, wann es wieder Zeit für eine Pausenzigarette ist. Auch diese Evolutionsstufe meiner Zigarette hat seine Zweck. Sie hilft dabei einen gewissen Abstand zu den Aufgaben bei der Arbeit zu bekommen. Dadurch lösen sich festgefahrene Analyseversuche und man bekommt plötzlich neue Perspektiven, wenn man sich wieder an den Platz setzt.

Evolution ist für die Entwicklung meiner Zigarette vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Die Evolution macht aus etwas bestehendem etwas neues. Was vorher da war ist jetzt weg. In meinem Fall besteht jede Vorstufe meiner Zigarette weiterhin. Abgesehen von dem aufgerauchten Stummel, den ich mit 7 Jahren im Mund hatte. Heute wühle ich nicht mehr in Aschenbechern rum.

Zusammengefasst bedeutet das für eine Woche: täglich rund 3 Pausenzigaretten, täglich eine Feierabendzigarette, täglich eine Denkerzigarette, am Wochenende grob geschätzt 10 Partyzigaretten für Freitag und Samstag und zum Abschluss die Sonntagszigarette. Das bedeutet über 30 Zigaretten pro Woche. Kam ich früher noch mehr als einen Monat mit einer Schachtel aus, reicht sie mir jetzt nicht einmal mehr für eine Woche. Und dabei habe ich noch nicht Zigaretten wie die Es-ist-zwar-Samstag-14 Uhr-aber-scheiß-drauf-Zigarette berücksichtigt.

Bis zur Feierabendzigarette habe ich noch behauptet kontrolliert zu rauchen. Mittlerweile erwische ich mich manchmal bei Gedanken wie „du hast in letzter Zeit ziemlich viel geraucht. Du solltest mal einen Gang zurückschalten“. Und im nächsten Moment zünde ich mir eine Zigarette an.
Bis wann bin ich ein Gelegenheitsraucher? Ich denke man ist Gelegenheitsraucher, wenn man nur dann raucht, wenn sich die Gelegenheit dazu unerwartet ergibt. Nicht wenn man sich die Gelegenheiten selbst schafft. Also bin ich Raucher? Ich könnte mich jetzt in Aussagen wie „es gibt schlimmere“ flüchten, aber das tue ich nicht. Ich bin Raucher. Ich bin Raucher und ich möchte die Kontrolle darüber wieder erlangen. Aus diesem Grund werde ich ab dem 01.10.16 (also ab morgen) für einen Monat nicht rauchen. Hä, wieso nur für einen Monat?! Hör doch ganz auf!…
cigarette-484256_640Rauchen ist nicht nur schlecht. Es hilft beim Denken, es schafft ein Gemeinschaftsgefühl oder es gibt den Händen etwas zu tun, wenn du nicht weißt wo hin damit. Das möchte ich weiterhin haben. Mir soll nur nicht die Zigarette vorschreiben, wann sie angezündet wird. Es geht also darum, mir zu beweisen, dass ich die Kontrolle darüber habe. Ich bin der Meinung, dass es leichter ist zu verzichten, wenn ich nur für eine bestimmte Zeit faste. So kann ich mir in schwachen Situationen sagen „bald kannst du ja wieder. Ist nicht so schlimm, wenn du jetzt erst mal verzichtest“. Wenn ich mir gleich vornehme, nie wieder zu rauchen, ist die Versuchung größer es zu tun. Ich bin also optimistisch, was den nächsten Monat betrifft.

Ach hätte ich doch jetzt eine Zigarette…

6 Kommentare bei „Evolution einer Zigarette“

  1. Also ich als 24 jährige Nichtraucherin gehe einfach mit raus wenn mir danach ist, stelle mich dazu und rede mit. Das wird gut akzeptiert, auch wenn man nicht raucht. Man muss kein Raucher sein um „Raucherpausen“ einzulegen. 🙂

  2. Jajaja, immer diese fanatischen Nichtraucher, mir hat dein Beitrag Spaß gemacht 🙂 Es hat sich gelesen, wie ein Roman, bei dem man nicht weiß, was gleich passiert und gespannt auf das Ende ist.

    Trotzdem werde ich dein Vorhaben nicht vergessen und bin auf den Ausgang gespannt 🙂

    1. Ja, Ja ist doch gut. Wollte nur sagen das es auch anders geht.

  3. @Anni
    So werde ich es im nächsten Monat wohl auch machen müssen 🙂

  4. @Daniel
    Ich sehe diesen Beitrag als eine Maßnahme mich zu motivieren. Wenn andere über mein Vorhaben Bescheid wissen, ist es um so schlimmer zu scheitern.
    Also , Daniel, es nicht zu vergessen ist dein Beitrag zu meiner Motivation 😉

Schreibe einen Kommentar zu Daniel Antwort abbrechen